Im Bereich Windenergie ist noch viel Forschung und Entwicklung nötig, insbesondere im Hinblick auf die zunehmende Größe der Windenergieanlagen.
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15.06.2022 | Erneuerbare Energien

Forschende sehen große Herausforderungen für den Windenergie-Ausbau

Bei der Vollversammlung des Forschungsnetzwerks Erneuerbare Energien – Windenergie haben die Teilnehmenden über Forschungsbedarfe für den Windenergie-Ausbau und Herausforderungen innerhalb der Branche diskutiert, etwa zurückgehende Fördermittel und Sorge um Nachwuchswissenschaftler.

Fünf Jahre nach der ersten Vollversammlung haben die Teilnehmenden das Treffen in digitaler Form genutzt, um aktuelle Forschungsfragen zu diskutieren und zu gewichten. „Diese Vollversammlung ist der Startpunkt für weitere Aktivitäten“, so Dr. Wolfgang Langen, für die Projektförderung in der Energieforschung zuständiger Referatsleiter im Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz (BMWK), in seiner Begrüßungsrede.

Den ursprünglichen Ansatzpunkt des Klimaschutzes mittels erneuerbarer Energien sieht er durch deren Beitrag zur Versorgungssicherheit gestärkt: „Das Thema erneuerbare Energien wurde lange Zeit kritisch diskutiert. Wegen der natürlichen Fluktuation bei der Erzeugung wurde den Anlagen keine Versorgungssicherheit zugetraut“, so Langen. „Hier findet eine Neubewertung statt – die heimischen erneuerbaren Energien tragen dazu bei, unabhängiger von Energieimporten zu werden.“

Viele offene Fragen in der Windenergieforschung

Besonders relevant für die weitere Windenergieforschung sind nach den Ergebnissen des Forschungsnetzwerk-Treffens etwa Lösungsansätze für sogenannte End-of-Life-Anlagen, deren genehmigte Laufzeit dem Ende entgegengeht. Weiterbetrieb, Rückbau und Recycling oder das Repowering – also der Ersatz alter gegen neue, leistungsfähigere Anlagen – sind mögliche Lösungsansätze. Daneben stellen sich etwa Fragen zur Windphysik oder einem optimierten Anlagenbetrieb – etwa im Hinblick auf den entstehenden Schall und die Akzeptanz der Bürgerinnen und Bürger.

Auch werden Lösungen für den Umgang mit Daten zum Anlagenbetrieb gebraucht. Diese werden zwar in großem Umfang gesammelt, sind aber bisher nur eingeschränkt verfügbar. „Wir haben eine Vielzahl technischer Herausforderungen, die wir angehen müssen“, sagte Professor Jan Wenske vom Fraunhofer-Institut für Windenergiesysteme (IWES).

Ebenfalls wurden interdisziplinäre Themen von den Teilnehmenden genannt– etwa zu regulatorischen oder juristischen Hemmnissen eines forcierten Ausbaus der Windenergienutzung. „Genehmigungsverfahren sollten zum Teil überarbeitet werden“, sagte Dr. Antje Wagenknecht, Geschäftsführerin der Fachagentur „Windenergie an Land“ und Moderatorin der Vollversammlung. Das ergebe sich auch als Folgerung der Aussagen aus dem Report „Getting fit for 55 and set for 2050“ der europäischen Plattform ETIP Wind.

Das überarbeitete Erneuerbare-Energien-Gesetz biete hierfür die Grundlagen: Der Ausbau erneuerbarer Energien liege im überragenden öffentlichen Interesse und sei eine Frage der nationalen Sicherheit geworden, heißt es in den Kerninhalten zu den Energiesofortmaßnahmen. Ein deutliches Ergebnis der Veranstaltung: Weitere Forschung zu den genannten und weiteren Themen ist essenziell, um die Energiewende voranzubringen. In der Gesellschaft sei ein falsches Bild entstanden, sagte Professor Po Wen Cheng von der Universität Stuttgart: „Die Menschen denken, Windenergieanlagen funktionieren doch schon sehr gut. Aber mit den sehr großen Anlagen kommen wir in einen Bereich, wo uns die vielen offenen Fragen zum Verhängnis werden können.“

Nachwuchssorgen behindern die Energiewende

Die Teilnehmenden beklagten, dass Nachwuchswissenschaftlerinnen und -wissenschaftler den Forschungsbereich der Windenergie verlassen. Der Grund sei insbesondere die mangelnde Perspektive für junge Akademikerinnen und Akademiker auf diesem Gebiet. Diese würden die Windenergiebranche als zu unsicher ansehen, um ihre wissenschaftliche Zukunft daran auszurichten – vor allem im Hinblick auf die zurückgegangenen Forschungs-Fördermittel sowie die zeitintensiven Genehmigungsverfahren für neue Anlagen und den dadurch lahmenden Ausbau.

Der jetzige Zeitpunkt sei besonders geeignet, dagegen aktiv zu werden, angesichts des zunehmenden Stellenwerts einer umfassenden Energiewende. Zum Gelingen der ambitionierten Ziele benötige man jedoch gut ausgebildetes Personal, das zukünftig fehle.

Hightech-Arbeitsplätze sollen erhalten bleiben

Ines Würth, Wissenschaftlerin des Beratungsunternehmens enviConnect, wünschte sich ein positives Signal aus der Politik, welches das bedeutsame Thema Forschung im Bereich Windenergie anerkennt. Professor Joachim Peinke von der Universität Oldenburg stellte fest: „Wir adressieren die modernsten Fragestellungen der Wissenschaft. Noch haben wir eine industrielle Basis und das entsprechende Know-how.“ Er nannte den Verlust an Nachwuchskräften ein gesamtgesellschaftliches Problem.

Professor Raimund Rolfes, Universität Hannover, pflichtete ihm bei: „Die jungen Arbeitskräfte möchten, dass die Hightech-Arbeitsplätze hierbleiben. Es braucht die klare politische Aussage, dass unsere heimische Industrie für regenerative Energie erhalten bleiben soll.“

Dr. Wolfgang Langen sieht Lieferengpässe und Fachkräftemangel als Herausforderungen, die adressiert werden müssen – darunter ebenfalls der benötigte Nachwuchs an den Forschungseinrichtungen. Hier solle gemeinsam mit Verbänden und Institutionen nach Lösungen gesucht werden, so Langen. (mb)

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