Mehrfamilienhäuser in Grünanlage
(Bild: ©Tiberius Gracchus - stock.adobe.com)
01.10.2019 | Energiewendebauen

Pauschalmiete: Wohnen inklusive Heiz- und Stromkosten

Im Forschungsprojekt Eversol-MFH evaluiert ein Wissenschaftlerteam zwei miteinander vernetzte und solar versorgte Mehrfamilienhäuser. Aus dem Monitoring wollen sie ein Model für eine Pauschalmiete entwickeln.

In einer Pauschalmiete sind die Nebenkosten für Strom und Warmwasser bereits enthalten. Das heißt, der Mieter unterschreibt keinen eigenen Liefervertrag für Wärme und Strom. Die Gesetzeslage für die Pauschalmiete ist jedoch schwierig. Da waren sich die Experten des Workshops „Pauschalmiete in der Wohnungswirtschaft“ bei ihrem Treffen im vergangenen Monat einig. (In einem Artikel auf dem Fachportal energiewendebauen.de vom 20.6.22 finden Sie nähere Informationen zum Zusammenhang von Pauschalmiete und Gebäude-Energiestandard.)

Offene juristische Fragen

Die Heizkostenverordnung  schreibt in Deutschland einerseits eine verbrauchsabhängige Abrechnung vor, andererseits gibt es Ausnahmen für Häuser, die zum Beispiel durch ihre Bauweise und Dämmung sehr wenig Wärme verbrauchen. Eine pauschale Abrechnung ist für Wärme also möglich, aber für Strom ist kein rechtlicher Rahmen definiert: Im Prinzip muss jeder Stromkunde in Deutschland einen eigenen Stromliefervertrag und Zähler haben und kann sich seinen Lieferanten selbst auswählen. Das heißt, die Versorgung mit Strom ist aus gesetzlicher Sicht nicht Aufgabe des Vermieters und somit auch nicht Bestandteil der Gesamtmiete.

Bei der Pauschalmiete gibt es aktuell also noch jede Menge Unklarheiten und offene juristische Fragen. Im  Forschungsvorhaben Eversol-MFH will das Forscherteam der Technischen Universität Bergakademie Freiberg und des Freiberg Instituts eine Empfehlung für den rechtlichen Rahmen erarbeiten.

Verbrauchen Mieter mit Pauschalmiete mehr Energie?

Erste Ergebnisse der soziologischen Untersuchung mit der Wohnungswirtschaft zeigen, dass Vermieter mit einer Pauschalmiete oft befürchten, dass Mieter mehr Energie verbrauchen und für sie unkalkulierbare Mehrkosten entstehen. Auch Mieter sind zum Teil skeptisch gegenüber einer Miete ohne Nebenkostenabrechnung für Wärme und Strom. „Die Abrechnung ist nicht mehr transparent für sie und sie sehen nicht mehr, was sie genau verbrauchen oder ob sie bei einer Pauschalmiete den Verbrauch eines anderen Mieters mitbezahlen“, sagt Thomas Storch von der Technischen Universität Bergakademie Freiberg.

Eversol: Solare Mehrfamilienhäuser mit wenig Stromverbrauch

Die beiden solaren, teilautarken Mehrfamilienhäuser, die im Forschungsvorhaben analysiert werden, stehen in Cottbus und haben je sieben Wohnungen. Sie versorgen sich zu zwischen 55 und 65 Prozent selbst mit Wärme und zu zwischen 70 und 77 Prozent selbst mit Strom. Die Wissenschaftler prognostizieren pro Wohnung einen durchschnittlichen Jahresstromverbrauch von circa 1.700 Kilowattstunden. „Diese Abschätzung sorgte beim Workshop für reges Interesse, da sie deutlich unter den statistischen Werten für entsprechende Haushaltsgrößen liegt“, so Storch. Nach Informationen des Stromspiegels 2019 verbraucht ein 3-Personen-Haushalt im Mehrfamilienhaus im Durchschnitt circa 2.600 Kilowattstunden Strom pro Jahr.

Das Messprogramm im Forschungsvorhaben Eversol-MFH ist mit dem Mietereinzug im Januar 2019 gestartet. Aktuell gibt es noch keine aussagekräftigen Daten zum Verbrauch von Strom und Wärme der Mieter über ein ganzes Jahr. Mit dem Monitoring untersucht das Forscherteam, ob sich durch sparsame Gebäude in Kombination mit einer hohen solaren Eigenversorgung mit Energie neue Möglichkeiten einer Pauschalmiete für die Wohnungswirtschaft und Energieversorgungsunternehmen ergeben. Die Überschüsse an Wärme und Strom der beiden Mehrfamilienhäuser fließen übrigens in das Nachbarquartier.

Im Workshop Anfang September 2019 haben sich für das Wissenschaftlerteam noch einmal neue Ansätze ergeben, um das Modell einer Pauschalmiete weiterzuentwickeln und Fragen, Hinweise und Probleme aus der Praxis im Projekt zu beantworten. So wollen sie etwa die Umfragen innerhalb der Wohnungswirtschaft weiter ausarbeiten und Anreize herausarbeiten, die den Einbau der Energietechnik von morgen ermöglichen. Weitere Veranstaltungen des Forschungsprojekts sind im Sommer 2020 geplant.

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