Workshop: Chancen und Hemmnisse integraler Quartiersprojekte
Quartiere bieten ein hohes Potenzial für das Erreichen der Klimaziele und daher Chancen für Stadtwerke. Dies wurde bei der vierten Veranstaltung der Reihe SW.aktiv „Integrale Quartiersprojekte – ein Lösungsansatz für die Praxis?“ deutlich.
Knapp 80 Teilnehmerinnen und Teilnehmer aus den Bereichen Stadtwerk, Energieversorgung, Forschung und Dienstleistung diskutierten Mitte November Chancen und Hemmnisse bei der Quartiersentwicklung.
Das Fraunhofer-Institut für Umwelt-, Sicherheit und Energietechnik (Fraunhofer UMSICHT) hat die Veranstaltung ausgerichtet. Wissenschaftlerin Dr. Anne Hagemeier (Fraunhofer UMSICHT) führte durch das Programm und gestaltete den Auftakt gemeinsam mit ihrem Kollegen Leander Grunwald. Der Leiter der Gruppe „Optimierte Quartierssysteme“ beschrieb die Potenziale für integrierte Quartiersprojekte aus Forschungssicht: „Für zukunftsfähige Quartiere ist eine integrale Planung essenziell, die erneuerbare Energieversorgung, energetische Sanierung und Elektromobilität gemeinsam betrachtet.“
Integrierte Quartiersentwicklung ist komplex. Dies liegt daran, dass viele unterschiedliche Personengruppen beteiligt sind. Um die Vielfalt dieser Perspektiven zu betonen, kamen insgesamt fünf verschiedene Akteurinnen und Akteure zu Wort, die in kurzen Impulsvorträgen ihre jeweilige These zum Thema Quartier vertraten – basierend auf ihren Praxiserfahrungen.
Ralf Wienkotte von den Stadtwerken Bochum machte den Auftakt. Er betonte die Vorteile und Synergien, die sich durch eine integrale Planung ergäben. Als Beispiele nannte er das Areal „Mark 51°7“ sowie zwei kleinere Quartierskonzepte, die aktuell von den Stadtwerke Bochum realisiert werden. Auch für Wohnungsgenossenschaften können sich Vorteile ergeben, wie Marvin Knese von der Sterkrader Wohnungsgenossenschaft darlegte. Im aktuellen Projekt QUENTIN werden mehrere Wohngebäude an eine flexible Nahwärmeversorgung angeschlossen. Dieser technologieoffene Ansatz in Zusammenarbeit mit den Stadtwerken spart Kosten gegenüber einem Austausch der Einzelanlagen. Außerdem ermöglicht er die Einbindung flexibler Kraft-Wärme-Kopplung.
Lokale Akteure müssen eingebunden werden
Dr. Theresa Eckermann, die Klimaschutzbeauftragte der Stadt Herten, betonte die weiteren Funktionen, die ein Quartier neben dem Klimaschutzaspekt leisten müsse. Dazu gehören aus ihrer Sicht auch eine Klimaanpassung sowie ein Biotop- und Artenschutz, zum Beispiel in Form von Dachbegrünung und Flächenentsiegelung. Zusätzlich müsse bei den Betroffenen ein Bewusstsein für diese Thematik geschaffen werden. Denn die Maßnahmen könnten erst umgesetzt werden, wenn diese auch im Quartier erarbeitet und gewollt seien. Dazu müssten alle relevanten Personen eingebunden werden und es solle feste Ansprechpersonen vor Ort geben. Ähnlich sah dies auch Andreas Hübner von der Gertec GmbH Ingenieurgesellschaft: Insbesondere die Frage nach der Einbindung und Umsetzungsbereitschaft der lokalen Gebäudeeigentümer sei relevant. Regionale Energiedienstleister könnten dabei unterstützen, die relevanten Akteurinnen und Akteure zu identifizieren, zu informieren und einzubinden. Den Abschluss der Impulsvorträge machte Tobias Reiners von der EnergieServicePlus GmbH: Er wies auf noch bestehende Hürden hin. Dies können zum Beispiel fehlende Anreize und Regularien oder Investitionskosten sein. Reiners unterstrich jedoch insbesondere den Mehrwert, den Quartiere für die Wärmewende leisten könnten. Schließlich befänden sich 75 Prozent der Wohnfläche des Bestandes in Quartieren.
Ziel: Technologien vor Ort umsetzen
Zum Teil gab es gegensätzliche Thesen der Impulsgebenden: Sind die technologischen Fragen alle gelöst, sodass die Herausforderung nur noch in der Umsetzung liegt? Oder sind auch noch technologische Aspekte zu lösen? Einig waren sich jedoch die meisten, dass Zusammenarbeit und Partizipation wesentliche Faktoren für das Gelingen von Quartiersprojekten sind.
Basierend auf den Impulsen fand anschließend in vier thematischen Diskussionsräumen ein Austausch mit den Teilnehmenden zu den Hauptthesen der Vorträge statt. Dabei wurde deutlich, dass es eine wichtige Herausforderung ist, Lösungen für den Bestand zu finden. Begriffe wie „Klimaneutralität“ und „Technologieoffenheit“ werden von Akteurinnen und Akteuren oft sehr unterschiedlich definiert und verwendet und haben auch nicht das nötige Gewicht. Hier muss ein Verständnis geschaffen werden. Auch soziale Aspekte wurden betont. Ziel sollte es sein, in die Umsetzung zu kommen. Dabei erwähnten die Expertinnen und Experten auch die regulatorischen Hürden. Dazu würden insbesondere die Planungsunsicherheit, die große Menge an Detailfragen und die fehlenden Anreize zählen.
Zum Abschluss der Veranstaltung gab Dr. Stefan Krengel vom Projektträger Jülich einen Überblick über Fördermöglichkeiten für Quartiersprojekte im Rahmen des 7. Energieforschungsprogramms.
Erfolgreiche Veranstaltungsreihe wird fortgesetzt
Die Reihe SW.aktiv wird organisiert durch den Themenverbund »Aktivierung der Stadtwerke«, bestehend aus der Forschungsstelle des Deutschen Vereins des Gas- und Wasserfaches e.V. (DVGW-EBI), AGFW und Fraunhofer UMSICHT. Alle zwei Monate, immer dienstags um 15 Uhr, werden Praxiserfahrungen, Informationen und Impulse rund um Energiethemen auf lokaler Ebene vorgestellt und diskutiert. (bs/ah Fraunhofer UMSICHT)