Cloud-Plattform zur Optimierung des Gebäudebetriebs
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28.06.2023 | Energiewendebauen, Industrie und Gewerbe, Start-ups

aedifion: Der Datenschatz im Gebäude

Das PropTech aedifion zeigt seinen Kunden mit einer Cloud-Plattform, wie sie Gebäudeemissionen und Betriebskosten einsparen können. Die Idee stammt aus einer Hochschul-Forschungsgruppe.

Jedes Gebäude liefert Daten. Selbst im Altbau-Einfamilienhaus gibt es Thermometer, Zähler oder Heizungsanlagen, die Daten liefern. Ein ungehobener Schatz – findet Johannes Fütterer: „In Bestandgebäuden lassen sich Emissionen um 40 Prozent senken, wenn man den Energiebedarf optimiert“, sagt der promovierte Energie-Ingenieur. Um das zu erreichen, hat er vor rund zehn Jahren an der RWTH Aachen eine Forschungsgruppe zur Gebäudeautomation aufgebaut und anschließend mit aedifion sogar ein entsprechendes Unternehmen ausgegründet. Inzwischen entwickelt er mit über 50 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern eine Plattform für die Optimierung von Gebäude-Energiesystemen, welche die Auswertung eben dieser Daten ermöglicht.

Dr.-Ing. Johannes Fütterer, CEO und Co-Gründer der aedifion GmbH.
Dr.-Ing. Johannes Fütterer, CEO und Co-Gründer der aedifion GmbH. (Bild: © aedifion)

Das Ziel: Betriebskosten und Emissionen reduzieren und den Nutzerkomfort dennoch steigern. aedifion nutzt Gebäudedaten, um daraus entsprechende Optimierungsmöglichkeiten abzulesen: Ist ein hydraulischer Abgleich nötig? Springt die Heizanlage schon an, obwohl noch keine Mitarbeiterin das Gebäude betreten hat? Oder lässt sich vielleicht auch nichts Besonderes ablesen – und eine Wartung kann um einige Monate nach hinten geschoben werden? Um das zu erkennen, muss bei aedifion viel Know-how zusammenkommen. Fachleute aus den Bereichen Energie, Ingenieurswesen und IT müssen zusammenarbeiten, um beispielsweise von einer KI analysierte Daten auszuwerten oder digitale Gebäudezwillinge zu erstellen, sogenannte Digital Twins.

Überraschend ineffiziente Wärmepumpen

„Angefangen hat es 2010 mit einem Forschungsprojekt zu Wärmepumpen“, blickt Fütterer zurück. Damals stellte er als wissenschaftlicher Mitarbeiter fest, dass die Leistungszahlen von Wärmepumpen in Gebäuden durchgehend schlechter waren als erwartet. Er begann, Gebäudedaten zu erheben und auszuwerten und durfte fünf Jahre später besagte Forschungsgruppe aufbauen. „Das war schon ein Erfolg“, sagt er rückblickend. Aber einer, der ohne Hilfe kaum möglich gewesen sei. „Unsere Gruppe wurde schnell größer und ohne Drittmittel, EU- und vor allem BMWK-Förderung hätten wir nicht diese Geschwindigkeit bekommen.“ Nicht nur, was das personelle Wachstum angeht, auch die Ergebnisse waren vielversprechend. „Das BMWK hatte da erkannt, dass Effizienzsteigerung auch ein Weg ist, Emissionen schnell zu reduzieren, und wir hatten einen innovativen Ansatz“, so Fütterer.

Am Ende seien es die langen Innovationszyklen der Industriepartner gewesen, die nicht mit der Geschwindigkeit und den Ambitionen der Hochschulforscher mitgehalten hätten, sagt er: „Die Unterstützung war da, aber wir haben zu wenige Innovationen gefunden, die wir nutzen konnten. Das wollten wir nun selbst machen und unsere Forschungsergebnisse auskoppeln.“ Obwohl die Gründung rückblickend erfolgreich war, sei vor allem der Start in die Selbstständigkeit kompliziert gewesen: „Man braucht viel Geld und viel Wissen“, sagt Fütterer – und gibt zu, dass es ihm an beidem gefehlt hatte.

Gründung mit Gründerprogramm

Auf einem Lehrgang des Gründerzentrums der RWTH Aachen erfuhr er von EXIST, einem Gründerprogramm des BMWK. EXIST soll Existenzgründungen aus der Wissenschaft erleichtern und gleichzeitig den Unternehmergeist an Hochschulen stärken. Als Bestandteil der Hightech-Strategie der Bundesregierung bietet es unter anderem ein Forschungstransfer-Programm für anspruchsvolle Gründungsvorhaben aus Hochschulen. In der ersten Phase soll der Nachweis der technischen Machbarkeit mitsamt der eigentlichen Unternehmensgründung erfolgen, die zweite Phase fördert das Start-up bis zur Marktreife der Idee.

„Man braucht da zwar Veröffentlichungen, Patente, ein Team – aber das hatten wir alles. Also habe ich schnell einen Antrag geschrieben“, blickt Fütterer zurück. „Das war ja ein geniales Programm für uns. Aber mein Antrag wurde abgelehnt. Ich war am Boden zerstört.“ Zum Glück bekam er nicht nur eine Absage, sondern auch eine ausführlichere Rückmeldung aus dem Ministerium. Mit Vorschlägen, wo er inhaltlich nachbessern könnte, was im Team noch fehle und weiteren Ideen. „Und in der nächsten Runde kam von EXIST-Forschungstransfer die Zusage.“

Gebäudeemissionen um bis zu 30 Prozent senken

Inzwischen nutzen über 70 Kunden in mehr als 150 Gebäuden die Datenplattform von aedifion, um Emissionen darin zu reduzieren. Dabei sparen sie nach Unternehmensangaben durchschnittlich 20-30 Prozent CO2 ein. Aber diese Daten geben noch mehr her, ist Fütterer überzeugt: „Wir entwickeln weitere Use-Cases. Wie können wir zum Beispiel Planungsunterlagen für unsere Plattform nutzen? Oder wie lässt sich die Gebäudeseite dynamisieren, also die Nachfrage an ein schwankendes Angebot anpassen?“

Um das herauszufinden, ist aedifion unter anderem im Reallabor der Energiewende TransUrban.NRW beteiligt. (Hier mehr zu TransUrban.NRW erfahren.) Die Fragestellung: Wenn Gebäude den Energiebezug aus einem Nahwärmenetz flexibilisieren – lässt sich dann auch das Netz effizienter steuern? Fütterer ist überzeugt: Das sei nicht nur möglich, sondern auch nötig. „Wir werden mehr Strom im Bestand haben. Da geht es um die Verfügbarkeit, aber auch um die Kosten von Strom. Wenn wir bei günstigen Strompreisen vor-heizen können, entlastet das auf der Kostenseite die Verbraucher, auf technischer Seite die Netze und es senkt Emissionen.“

Auch in anderen Forschungsprojekten ist aedifion aktiv, um Nutzungsszenarien für die eigene Datenplattform zu erproben. (Siehe rechts.) „Der Forschung sind wir weiter verbunden“, erklärt Fütterer und lobt die Förderprogramme der Bundesregierung: „Ohne das BMWK hätten wir an vielen Stellen keine Chance gehabt, dieses Unternehmen zu gründen.“

Von der Gründung bis zur angewandten Energieforschung, die finanziellen Herausforderungen für Start-ups sind riesig und oft zu groß. Programme wie EXIST oder das Energieforschungsprogramm ermöglichen hier erst Innovationen. „Allerdings“, ergänzt Fütterer mit einem Augenzwinkern, „haben wir inzwischen auch so viel Steuern gezahlt, dass wir die Förderung schon wieder eingespielt haben.“ Wichtiger als eingespartes Geld ist allerdings das eingesparte CO2, und da ist das Potenzial der eigenen Cloud-Plattform groß: Dürfte er alle gewerblichen Gebäude in Deutschland damit optimieren, schätzt Fütterer, könne das den Ausstoß von über 10 Millionen Tonnen CO2 verhindern – dem derzeitigen Pro-Kopf-Ausstoß von rund 1,3 Millionen Deutschen. (pj)

Start-up-Kurzsteckbrief

Name: aedifion GmbH

Gründung: 2017 in Köln

Mitarbeiter: 50+

Branche: PropTech

Laufende Forschungsprojekte:

  • EnergyTWIN - Energiediagnosestecker Digitaler Zwilling: Neue sensorgestützte und KI-basierte Methoden für die digitale, BIM-basierte Inbetriebnahme von technischen Anlagen in Hochbauwerken und deren energetische Systemoptimierung (03EN1026E)
  • BIMpact - Entwicklung einer stabilen und sicheren IoT-basierten Gebäudeautomation unter Verwendung von KI-Metadatenanalyse und mehrsichtigen BIM-Modellen (03EN1043D)
  • FAE-R - FUBIC ALL ELECTRICITY ' REALIZATION - Demonstrationsprojekt für die strombasierte Wärmewende im Technologiequartier (03EN3026F)
  • TransUrban.NRW - Transformation der netzgebundenen, urbanen Wärme- und Kälteversorgung mit intersektoralen Power-2-Heat Lösungen als Beitrag zum Strukturwandel in den Kohlerevieren NRWs (03EWR020Q)
  • BAWebConTest - Webbasierte, frei verfügbare Testumgebungen für Regelstrategien zur Verbesserung von Gebäudeautomationssystemen (03EN1014C)
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