Produktionsstandort WEW GmbH in Dortmund. Man sieht ein
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11.01.2024 | Start-ups, Wasserstoff

„Grüner Wasserstoff muss so günstig werden wie möglich“

Seit drei Jahren entwickelt das Dortmunder Start-up WEW Stacks für die alkalische Wasserelektrolyse. Im Interview beschreibt Dr. Wiebke Lüke, wie sie mit ihrem Team in Deutschland eine vollautomatisierte Stack-Produktionsstätte im Gigawattbereich aufbauen will.

 

Frau Lüke, Sie haben am Forschungszentrum Jülich Ihren Doktor gemacht und einige Jahre bei ThyssenKrupp Projekte geleitet. Ihre zwei Mitgründer hatten ebenfalls gute, sichere Jobs. Was hat Sie motiviert, „Water Electrolysis works“, kurz WEW, zu gründen?

Dr. Wiebke Lüke im Porträt
Gründerin und Geschäftsführerin Dr. Wiebke Lüke. © WEW GmbH

Wiebke Lüke: Die Entscheidung ist gefallen, als im Juni 2020 die Nationale Wasserstoffstrategie veröffentlicht wurde. Über Nacht ist das Thema grüner Wasserstoff ein absoluter Hype geworden. Die Börsenpreise für Firmen sind durch die Decke geschossen. Die Veröffentlichung war ein Commitment der Politik, neun Milliarden Euro in den Aufbau einer Wasserstoffwirtschaft zu stecken und Förderprogramme aufzurufen. Das war für uns der Punkt, an dem wir gesagt haben: jetzt oder nie.

Zudem sind wir uns sicher, dass Wasserstoff eine entscheidende Rolle im Energiesystem der Zukunft spielt. Nicht nur zur Diversifizierung des Energiesystems, sondern auch, damit wir überhaupt die Klimaziele erreichen können. Wir finden es spannend, eine eigene Technologie zu entwickeln und eine eigene Firma zu haben. Obwohl wir eigentlich nicht so das klassische Start-up sind.

Wie meinen Sie das?

Wir drei Gründer sind alle schon 40 Jahre oder älter. Das heißt, wir sind keine klassische Ausgründung von einer Uni. Jeder von uns hatte zuvor rund 15 Jahre im Bereich Wasserstoff gearbeitet. Auf diese Expertise haben wir aufgebaut. Damit hatten wir eine klare Vorstellung, wie wir gründen wollen, wie unser Investorenkreis und unser Geschäftsmodell aussehen soll.

Was macht Ihr Start-up denn aus?

Uns war es wichtig, eine nachhaltige Firma zu gründen, die viele Jahre existiert. Wir wollten keine Beratung im Wasserstoffbereich machen, sondern selbst ein Produkt entwickeln, den Stack für die alkalische Wasserelektrolyse [Siehe Infobox]. Das ist das Herzstück des Elektrolyseurs. Darin sind Elektrolysezellen als kleinste Einheit der Anlage zusammengeschaltet, um Wasser in Wasserstoff und Sauerstoff zu zerlegen.

Die alkalische Elektrolyse ist eins von drei bereits etablierten Verfahren, um Wasserstoff durch elektrochemische Spaltung von Wasser zu erzeugen. Es ist die älteste und bislang meistgenutzte der Elektrolyse-Technologie, mit ersten kommerziellen Anlagen im frühen 20. Jahrhundert. Die zwei anderen Verfahren sind die Hochtemperatur- und die Protonen-Austausch-Membran-Elektrolyse.  Sie unterscheiden sich unter anderem hinsichtlich der verwendeten leitfähigen Substanzen: Im Fall der AEL-Verfahren wird mit einem flüssigen, alkalischen Elektrolyten gearbeitet. Im Gegensatz zu den anderen Verfahren werden bei der alkalischen Elektrolyse keine teuren Materialien wie Reaktionsbeschleuniger aus seltenen Edelmetallen oder temperaturfeste Spezial-Keramiken benötigt. Die alkalischen Verfahren zeichnen sich daher durch geringere Kosten aus. Die Stacks haben laut einer dena-Studie eine relativ hohe Lebensdauer von bis zu 90.000 Stunden. Jedoch ist die Stromdichte, also die Stromstärke pro Fläche, geringer. Der Wirkungsgrad der AEL liegt zwischen 52 und 70 Prozent. Die Protonen-Austausch-Membran-Elektrolyse kann bis zu 75 Prozent erreichen.

Alkalischer Elektrolysestack der WEW GmbH
Der 2,1 Meter hohe und 1,1 Meter tiefe alkalische Elektrolysestack. © WEW GmbH

Das unterscheidet uns: Die wenigen Firmen im Wasserstoffbereich sind oft große Anlagenbauer, die ein Komplettpaket verkaufen. Die bieten den Stack nicht separat an, sondern nur zusammen mit den weiteren Anlagenkomponenten eines Elektrolyseurs. Das sind etwa Rohrleitungen, Kompressoren und Pumpen, wie sie auch etwa in Chemieanlagen benötigt werden.

Die Herausforderung liegt vor allem in der Entwicklung kostengünstiger Stacks. Mit unserer Expertise in der Verfahrenstechnik und Elektrochemie entwickeln und bauen wir daher genau solche kostengünstigen Stacks und bieten diese Firmen an, die am Wasserstoffmarkt teilnehmen wollen. Das können zum Beispiel Systemintegratoren oder Anlagenbauer sein.

Wäre es nicht einfacher, das Komplettpaket zu kaufen?

Ich vergleiche unseren Ansatz gerne mit dem E-Bike-Markt: Die Nachfrage stieg und der klassische Fahrradhersteller hatte wenig Ahnung, wie man einen Akku und einen Elektromotor entwickelt, um am stetig wachsenden E-Bike-Markt zu partizipieren. Die Firma Bosch hat das erkannt und gesagt: Kein Thema, wir bauen euch die Komponenten und ihr könnt sie in eure Räder integrieren.

Woraus besteht ein Elektrolyseur?

Die kleinste Einheit eines Elektrolyseurs ist die Zelle – bestehend aus Elektroden, Diaphragma/Membran und Elektrolyt. Schaltet man mehrere Zellen hintereinander, spricht man von einem Stack. Viele Stacks zusammen bilden ein Modul.

Ihre Gründung fällt in die Corona-Hochphase. Wie hat sich das ausgewirkt?

Das war die Zeit der Lockdowns und Versammlungsverbote. Das hat den Start schwieriger gemacht. Dennoch: Aufgrund der unfassbaren Präsenz des Themas Wasserstoff in der Öffentlichkeit – nicht zuletzt dank der Nationalen Wasserstoffstrategie – gab es viele Personen, die in diesem Bereich finanziell einsteigen wollten. Wir hatten einen Business Angel, mit dem wir gegründet haben. Über dessen Netzwerk und unsere Kontakte haben wir verschiedene Privatpersonen angesprochen, die Interesse an einem nachhaltigen Investment hatten. So konnten wir glücklicherweise Banken und Wagniskapitalgebern absagen.

Wie wichtig war die Zusage von mehr als sechs Millionen Euro Fördermitteln für das Projekt H2Giga StaR im Rahmen des 7. Energieforschungsprogramms für Ihr Unternehmen? Das Projekt soll ja die Kosten für alkalische Elektrolyseure weiter senken.

Das war unser zweites Standbein, neben der Investorenstruktur. Wir haben uns frühzeitig um Fördermittel beworben. Da es nicht so viele Start-ups gibt, die sich bewerben, haben wir uns eine reelle Chance ausgerechnet. Natürlich müssen wir einen Eigenanteil in das Forschungsprojekt einbringen. Aber es stellt eine verlängerte Werkbank für unser Start-up dar und ermöglicht Dinge, die wir uns sonst überhaupt nicht leisten können. Durch die Forschungsförderung werden Technologien schneller entwickelt. Wir können unser Netzwerk erweitern. Und durch die Fördermittel wird ein Anreizsystem geschaffen, um den Wasserstoffmarkt aufzubauen.

Sie leiten das große Verbundvorhaben, an dem noch vier Forschungseinrichtungen beteiligt sind. Wie konkret wollen Sie nun mit Ihrem Start-up günstigere Elektrolyseure entwickeln?

Grüner Wasserstoff muss so günstig werden wie möglich, damit wir möglichst viel davon produzieren und einsetzen können. Der Stack macht ungefähr 40 Prozent der Kosten einer Wasserelektrolyseanlage aus. Wir setzen daher auf Standardisierung und Automatisierung, um die Investitionskosten drastisch zu reduzieren.

Wo stehen Sie jetzt, drei Jahre nach der Gründung?

Wir haben mit der TU Clausthal ein Testfeld aufgebaut, wo wir die Stacks prüfen, die wir in unserer Dortmunder Zentrale produzieren. Die Ergebnisse sind in die Weiterentwicklung eingeflossen. Zudem haben wir im Herbst 2023 eine Musterfertigung in Dortmund gemeinsam mit unseren Projektpartnern aufgebaut und in Betrieb genommen. Noch läuft die Produktion teilautomatisiert über Mensch-Maschinen-Interaktionen. Weitere Automatisierungsschritte sollen im Verlauf des Forschungsprojektes evaluiert werden. In der vollen Ausbaustufe weist diese Musterfertigung jedoch schon eine Kapazität von circa 50 MW jährlich auf.

Das alles soll in Deutschland passieren?

Ja, wir wollen in Deutschland produzieren und glauben, dass wir den Teil der Wertschöpfung hier halten können. Die Frage ist natürlich, wie sich der Wasserstoffmarkt entwickelt und wo schlussendlich unsere Kunden sitzen. Aber das sind Fragen, die erst nach 2030 anstehen.

Abschließend eine private Frage: Sie haben quasi einen Familienbetrieb gestartet. Ihr Mann, Lukas Lüke, gehört zum Gründer-Trio. Sprechen Sie beim Abendessen auch über Wasserstoff?

Wir haben uns im Job kennengelernt und arbeiten seit Jahren zusammen, wenn auch in anderen Geschäftsbereichen. Wir identifizieren uns beide sehr stark über unseren Job. Das ist eine riesen Erleichterung. Ich muss abends nicht erklären, warum mein Tag heute so schwierig war. Denn ich habe einen Ansprechpartner, der zu 100 Prozent versteht, was ich mache und wie ich das mache.

Das Interview führte Eva Mühle, Wissenschaftsjournalistin beim Projektträger Jülich.

Start-up-Kurzsteckbrief

Name: WEW GmbH

Gründung: Januar 2021 in Dortmund

Mitarbeiter: 20

Branche: Stacks für Elektrolyse in der Wasserstoffindustrie

Laufende Forschungsprojekte:

  • H2Giga_NG1: StaR - Reduktion der Kosten für alkalische Elektrolyseure auf einen Wert unter den Prognosen für 2030 (03HY102A)
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