
Biogas aus Reststoffen für Industriepark Zeitz
Lebensmittelproduktion und Chemiepark gleich nebeneinander? Was zunächst wie ein Problem klingt, wird in Zeitz südlich von Leipzig zur großen Chance. Denn aus den Abfällen lässt sich wertvolles Gas gewinnen, wie das Projekt „Pülpegas“ zeigt.
Der Chemie- und Industriepark Zeitz war früher ein Standort der klassischen Chemie, der sich in den vergangenen Jahren deutlich zukunftsorientierter aufgestellt hat. „Wir haben einige Unternehmen der grünen Wirtschaft am Standort und wollen nun auch eine Fläche für Forschung und Entwicklung schaffen, um Pilotprojekte zu ermöglichen“, erklärte Niclas Buschner von der Infra-Zeitz Servicegesellschaft, Betreiber und Standortentwickler des Areals, am 22. Mai bei einem "Bioenergie Talk". Doch ein solcher Standort brauche auch Energie – idealerweise aus nachhaltigen Quellen.
Zur Person

Niclas Buschner arbeitet für Infra-Zeitz an der Umsetzung der Biogasanlage und im Forschungsprojekt "Pülpegas".
Gleichzeitig suchte die benachbarte Firma Interstarch einen Abnehmer für das pflanzliche Restmaterial, das bei der jährlichen Produktion von 120.000 Tonnen Weizenstärke und Gluten entsteht. Bislang wurde ein Großteil der sogenannten Weizenpülpe als Tierfutter verkauft – doch während der Stärkemarkt wächst, sinkt die Nachfrage nach Schweinefutter in der Region.
„Aufgefallen ist uns das durch eine Synergieanalyse am Standort“, so Buschner. Mit dieser Analyse wollte die Betreibergesellschaft unentdeckte Chancen in der Verknüpfung einzelner Produktionen finden. Die Weizenreste weckten dabei Interesse: „Mit der Vergärung dieser Pülpe kann Energie nutzbar gemacht werden, die am Standort gebraucht wird“, erklärt er.
So klingt der Bioenergie Talk: Standortvorteile
Hören Sie hier die Erklärung von Niclas Buschner vom Bioenergie Talk am 22. Mai, welche Vor- und Nachteile der konkrete Standort der geplanten Anlage bietet.
Wir am Standort sind sehr gut geeignet für die Pülpeanlage, für die Vergärung und für die Aufnahme der erzeugten Energiemengen. Wir haben am Standort einen Energiebedarf von 120 Gigawattstunden Wärme und Strom für die verschiedenen Ansiedlungsbetriebe; haben durch unsere Produktionsanlagen bereits ein vorhandenes Prozessleitsystem, das 24/7 besetzt ist durch das Betriebspersonal, wo die Pülpeanlage gut eingebunden werden kann.
Wir sind ein ehemaliger Chemiestandort und Produktionsfläche von Benzin und Diesel im Zweiten Weltkrieg, weshalb wir relativ stark bombardiert wurden in den letzten Kriegsjahren, wodurch der ganze Industriepark mit Altlasten belastet ist. Vor allem mit Kampfmitteln. Wir haben Altfundamente von den Altwerken und eine Schadstoffbelastung durch die ausgelaufenen Chemikalien.
Wir haben uns aus dem Grund einen Teil des Baufelds ausgesucht, wo keine Altfundamente liegen, was die Kampfmittelsondierungen vereinfacht. Das ist quasi die prädestinierte Fläche, die für die Pilotanlage geplant ist.

Da es am Standort nicht nur Interesse am Biogas, sondern auch genügend Platz für eine entsprechende Anlage gab, startete Infra-Zeitz 2020 zunächst mit Laborversuchen. Diese zeigten, dass sich die lokalen Pflanzenreste grundsätzlich zur Vergärung und energetischen Weiternutzung eigneten.
Pülpegas vor der Marktreife
Deshalb startete Infra-Zeitz gemeinsam mit dem Deutschen Biomasseforschungszentrum (DBFZ) 2023 einen deutlich größeren Pilotanlagenversuch. Kurz darauf folgte eine Standortanalyse: Der Technologiereifegrad der eigenen Energieproduktion war dabei so hoch, dass Infra-Zeitz sich dazu entschied, eine voll funktionsfähige Großanlage zu planen.
Dabei standen die Forschenden natürlich auch immer wieder vor Herausforderungen. Am DBFZ bemerkten sie schnell, dass das Substrat sehr reaktionsfreudig war; ein weiter Transport ist damit ausgeschlossen. Anorganische Bestandteile bildeten zudem Sedimente und es kam zu Kristallbildungen an der Reaktorwand. „Um die Probleme, die wir mit dem Rührkessel hatten, künftig in den Griff zu kriegen, werden wir einen Hochleistungs-Reaktor nutzen“, so Buschner.
Bioenergie Talk

Beim Bioenergie Talk präsentieren Forschende ausgewählte Projekte der energetischen Biomassenutzung.
Und der Nutzen für die Vergasung ist noch nicht alles: Die Fermentierung beziehungsweise Gärung lässt sich auch mit Düngung, der Nutzung von CO2 oder sogar der Produktion von grünem Wasserstoff verbinden. Wenn die Versuche der größeren Pilotanlage ebenso erfolgreich abgeschlossen werden können, ist der Bau einer Großanlage geplant, welche direkt im Industriepark eingebunden sein soll und bis zu 50 GWh Energie aus dem Abfallstoff herstellt. Das dazugehörige Forschungsprojekt „Pülpegas“ läuft noch bis Oktober 2025.
*Originalquelle: © Олена Грузина - adobe.stock.com