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Kühlschränke im REWE Pilot-Supermarkt.
© Siemens AG
01.12.2025 | Energiewendebauen

Supermarkt-Kühlschränke als thermische Batterie für Erneuerbare-Energien

Einen Supermarkt zum thermischen Stromspeicher machen? Im Rahmen von Remeasure wollen Forschende zeigen, wie sich mehr erneuerbare Energien nutzen lassen, ohne dass es neue Kraftwerke braucht – trotz steigenden Stromverbrauchs. Im Rahmen einer EWB-Stunde stellte Patrick Henkel erste Ergebnisse vor. 

Große Stromverbraucher, etwa industrielle Produktionsanlagen, tragen längst zur Netzdienlichkeit bei – aber es gibt noch mehr ungenutzte Potenziale. Etwa in Supermärkten. Im Projekt Remeasure untersuchen Siemens und die RWTH Aachen ein „Rolloutfähiges, multimodales Energiemanagement für Supermärkte“, so der ausführliche Projekttitel. Kühlanlagen sollen als Puffer für überschüssigen Strom genutzt werden oder bei Knappheit den Verbrauch kurzzeitig reduzieren.  

Projektmitarbeiter Patrick Henkel vom Team Gebäudeautomation am Lehrstuhl für Gebäude- und Raumklimatechnik der RWTH Aachen hat Remeasure Ende September bei einer EWB-Stunde, einem der Energie-Dialoge der Forschungsnetzwerke Energie, vorgestellt. (Mehr zur Veranstaltungsreihe „EWB-Stunde“ erfahren Sie hier.)

Remeasure stabilisiert die Netze durch Lastverschiebung

Zur Person

Patrick Henkel ist wissenschaftlicher Mitarbeiter im Team Gebäudeautomation am Lehrstuhl für Gebäude- und Raumklimatechnik des E.ON Energieforschungszentrums der RWTH Aachen. 

EWB-Stunde nachhören

Patrick Henkel vom Lehrstuhl für Gebäude- und Raumklimatechnik der RWTH Aachen
Patrick Henkel (©Lehrstuhl für Gebäude- und Raumklimatechnik RWTH Aachen)

Emissionen senken, Netze stabilisieren

Zu Beginn des Energie-Dialogs erklärte Patrick Henkel die Relevanz des Projekts. 

Patrick Henkel,Transkript: „Beginnen möchte ich mit der Motivation: der Mission der Klimaneutralität, in der wir vor einer großen Transformation der Energieversorgung stehen. Weg von einer konventionellen Energieerzeugung, hin zu einer erneuerbaren Energieerzeugung. Und dadurch ändert sich auch für unsere Energiesysteme einiges. Da wollen wir vor allem die Erzeugung, die sehr volatil wird, auf unseren Bedarf abstimmen. Beziehungsweise andersherum gesagt: den Bedarf, den wir in unserem Gebäudeenergiesystem haben, auf die Erzeugung abstimmen.“

Die Stromerzeugung mit erneuerbaren Energien ist günstig, aber volatil. Das wirkt sich ein weiteres Mal auf den Preis aus: Ist zu viel Strom im Netz, sinken die Stromkosten weiter – bis hin zu Punkten, an denen sie ins Negative sinken. Abnehmer werden also dafür bezahlt, überschüssigen Strom zu verbrauchen und damit Erzeugung und Verbrauch wieder in Einklang zu bringen.

EWB-Stunde nachhören

Patrick Henkel vom Lehrstuhl für Gebäude- und Raumklimatechnik der RWTH Aachen
Patrick Henkel (©Lehrstuhl für Gebäude- und Raumklimatechnik RWTH Aachen)

Lastverschiebung

Eine vorgezogene oder verzögerte Stromnutzung entlastet aber nicht nur das Stromnetz, sondern rentiert sich auch ökonomisch, erklärt Henkel.

Patrick Henkel, Transkript: „Und eine Lösung, die man hier anwenden kann, ist die Lastverschiebung. Bei der Lastverschiebung soll der Bedarf auf die volatilere Erzeugung angepasst werden, um somit insgesamt das Stromnetz zu entlasten. Das Ganze ist tatsächlich auch wirtschaftlich motivierbar für die einzelnen Supermärkte. Denn man sieht, dass der Strompreis und die erneuerbare Energieerzeugung stark gekoppelt [sind].“

Und hier kommen Batterien ins Spiel: Wenn diese mehr erneuerbaren Strom zu günstigen Preisen und weniger fossilen Strom zu hohen Preisen nutzen könnten, also sowohl Kosten sparen als auch die Netze entlasten würden, seien so Henkel „alle gemeinschaftlichen Ziele erreicht“. Der Nachteil: Nahezu jede leistungsfähige Batterietechnik ist teuer. Die Kühlanlagen von Supermärkten hingegen gibt es ohnehin.

Supermärkte als vielversprechende Netz-Entlaster

Energiesysteme heutiger Supermärkte werden allerdings bislang meist anhand statischer Regeln und rein bedarfsorientiert betrieben. Sie berücksichtigen weder dynamische Strompreise, noch Vorhersagen von weiteren dynamischen Randbedingungen wie Lasten. Dabei sind sie standardisiert, oft mit geeigneter Messtechnik ausgestattet und weisen einen hohen Automatisierungsgrad auf. 

EWB-Stunde nachhören

Patrick Henkel vom Lehrstuhl für Gebäude- und Raumklimatechnik der RWTH Aachen
Patrick Henkel (©Lehrstuhl für Gebäude- und Raumklimatechnik RWTH Aachen)

Energieforschung im Supermarkt

Während Lastverschiebung in ausgewählten Privathaushalten oder Büros kaum skalierbar wäre, eigneten sich Supermärkte wegen der vorhandenen Technik und der Steuerbarkeit deutlich besser, erklärt Henkel. 

Patrick Henkel, Transkript: „Warum schauen wir uns überhaupt Supermärkte an? Supermärkte bieten tatsächlich eine recht gute Infrastruktur für die Lastverschiebung. 

Zunächst sind sie sehr standardisiert, das heißt, jeder Supermarkt ist ähnlich aufgebaut. Häufig sind die gleichen Kühlschränke verbaut, häufig sind die gleichen Kältemaschinen verbaut. Wenn man einmal ein System ertüchtigt hat, kann man das relativ schnell auch auf andere Supermärkte übertragen, was hier sehr stark der Rolloutfähigkeit zugutekommt. 

Darüber hinaus sind Supermärkte von Grund aus mit guter Mess- und Regelungstechnik ausgestattet. Insbesondere, da die Kühlkette immer eingehalten werden muss und das auch nachgewiesen werden muss. Das heißt, die Supermärkte müssen sowieso alle Temperaturen in den Kühlschränken monitoren, um nachweisen zu können, dass die Kühlkette eingehalten wird. Darüber hinaus ist auch die Basisautomatisierung sehr weit fortgeschritten, eben um Fehler in den Produkten zu vermeiden. 

Als letzten Punkt haben wir auch steuerbare Kälteverbraucher, insbesondere die Kühlschränke und auch die Produkte in den Kühlschränken, die wir als thermische Batterie nutzen können. Normalerweise werden Supermärkte so betrieben, dass es eine Maximaltemperatur gibt, die eingehalten werden muss. Das könnten zum Beispiel 6 °C für die normalen Milch- und Wurstprodukte sein oder -20 °C für die Tiefkühlprodukte. Für viele Produkte ist es aber möglich, die Temperatur weiter abzusenken, zum Beispiel auf -23 °C für die Tiefkühlung, ohne dass dadurch die Produktqualität eingeschränkt wird. Supermärkte haben eine relativ hohe Grundlast und das Ziel ist es hier, die Produkte und auch die Kühlschränke als thermische Batterie zu benutzen. Dadurch lassen sich dann in Zeiten von hoher erneuerbarer Energieerzeugung oder von niedrigen Strompreisen die Produkte vorkühlen, sodass dann zu Zeiten von niedriger Erzeugung oder auch hohen Preisen aus dieser thermischen Batterie gespeist werden kann.“

Wenn die Kühltruhen zur Batterie werden, kann das also die Netze entlasten. Nur braucht es dazu erst einmal einen Supermarkt. Bei Remeasure ist dies eine REWE-Filiale in Erlangen, in der vor drei Jahren das Projekt mit einer Datenerhebung startete. 

Die Projektpartner teilten sich zu Beginn des Projektes auf: Siemens ertüchtigte den Supermarkt, übernahm etwa das Monitoring der Messpunkte in der Cloud oder kümmerte sich um die Ansteuerung der vorhandenen Automation. Die RWTH in Aachen entwickelte Regelungsalgorithmen und eine Simulationsumgebung, in der das Potenzial der Lastverschiebung nachgewiesen werden konnte. Beide Arbeitspakete wurden immer wieder gemeinschaftlich abgeglichen. 

Ergänzung der bestehenden Regelungstechnik

Inzwischen ist die Regelungssoftware im Einsatz, bis Sommer 2026 laufen noch weitere Versuche und Validierungen. Die Forschenden wählten dabei bislang einen konservativen Ansatz bei der Temperaturregelung. Laut Henkel könnte es durchaus möglich sein, die vorgegebenen Grenztemperaturen der Kühlkette kurzfristig zu über- oder unterschreiten. 

In diesem Fall beließen es die Forschenden dabei, die Kühlschränke um bis zu drei Grad abkühlen zu lassen, über einen sogenannten Vorkühl-Betrieb. Dieser verbraucht über bis zu anderthalb Stunden mehr Energie und lohnt sich bei niedrigen Preisen. Bei steigenden Preisen kann die Regelung wieder in den Standardbetrieb wechseln. 

Die eingesetzte Kältemaschine
Ein Blick auf die eingesetzte Kältemaschine. (Bild: © Siemens AG)

Die Automatisierung von Remeasure lässt sich dabei zusätzlich zur bestehenden Automatisierung in den Schaltschrank integrieren, was den Betrieb zusätzlich absicherte. Für den Supermarkt sei es sehr wichtig gewesen, die gesetzlichen Vorgaben zur Kühlung strikt einzuhalten, erklärt Henkel. 

Das ist nicht so einfach, wie es klingt, denn auch andere Faktoren haben einen Einfluss, etwa die Außentemperatur oder wie häufig beispielsweise eine Eistruhe im Sommer geöffnet wird. Für die konkrete Temperatur (und Steuerbarkeit) ist am Ende also auch bei Remeasure nicht nur der Strompreis verantwortlich.

Erste Ergebnisse zeigen Klimafreundlichkeit

Dennoch zeigt sich bereits jetzt in einer Analyse von Preisszenarien, dass es funktioniert: Die Kühlkosten in der Simulation ließen sich um mindestens fünf Prozent, teils sogar im zweistelligen Prozentbereich senken. Dabei steigt der Energiebedarf insgesamt an, was zunächst nicht wie ein Erfolg klingt – der Anteil fossiler Energie sinkt jedoch; die Mehrnutzung betrifft vor allem erneuerbaren Energien, die sonst ungenutzt bleiben würden. Und das ist vom Projekt ja auch gewünscht. 

Wenn die Preise für kurze Zeiträume, vor allem unter einer Stunde, sehr hoch seien, könne man das bereits gut abpuffern, erklärt Henkel. Je dynamischer sich die Strompreise entwickeln, desto sinnvoller werde eine Regelung, wie sie Remeasure entwickelt hat. 

In einem nächsten Schritt soll bei der Steuerung auch maschinelles Lernen zum Einsatz kommen. Außerdem soll noch vor Projektende ein Leitfaden erscheinen, der die Ergebnisse zur Verfügung stellt. 

EWB-Stunde

Symbolbild EWB-Stunde
©Tiberius Gracchus - stock.adobe.com

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