Bundesminister Dr. Robert Habeck eröffnet das 1. Symposium der Forschungsnetzwerke Energie.
(© Projektträger Jülich)
20.06.2023 | Bioenergie, Energiewendebauen, Erneuerbare Energien, Flexible Energieumwandlung, Industrie und Gewerbe, Start-ups, Stromnetze, Systemanalyse, Wasserstoff

Symposium der Forschungsnetzwerke „zeigt, wie Zukunft entstehen kann“

In Berlin fand vergangene Woche das erste Symposium der Forschungsnetzwerke Energie statt. Für Forschende war es eine ergiebige Gelegenheit, um sich untereinander auszutauschen – und um mitzubekommen, welche Rolle die Politik der Energieforschung zuschreibt.

Wenn wie beim Symposium der Forschungsnetzwerke Energie, das Mitte Juni in Berlin stattfand, fast 400 Forschende zusammenkommen, dann tauschen sich diese vor allem über fachliche Themen aus. Doch gerade die Energieforschung hat auch eine politische Dimension. Daran erinnerte Bundeswirtschafts- und Klimaschutzminister Robert Habeck gleich in seiner Eröffnungsrede: „Energieforschung ist auch Standort-Erneuerungs-Forschung“, sagte er. Und weiter: „Die Anlagen für die neue Energiewelt sollen natürlich auch möglichst hier hergestellt werden, die Wertschöpfung soll hier stattfinden – das beginnt bei Halbleitern, beim Maschinenbau, bei Speichern und endet auch nicht bei der Ausbildung der Fachkräfte.“ Das sei eine gesellschaftliche Kraftleistung und die Energieforschenden seien „der Transmissionsriemen für diesen Beitrag.“ (Mehr zu seiner Eröffnungsrede finden Sie hier.)

Nun liefert ein Transmissionsriemen nicht nur Energie, sondern überträgt sie an die gewünschte Stelle. Man könnte interpretieren: Die Energieforschenden sollen die Innovationen nicht nur entdecken, entwickeln und testen, sondern danach auch in breite Anwendung bringen. Eine große Aufgabe für Einzelne, die sich mit ihrer Forschung teils in speziellen Nischen bewegen. Aber Ziel des ersten Symposiums der Forschungsnetzwerke Energie war ja insbesondere, dass diese Forschenden sich vernetzen, austauschen und zusammenfinden konnten – und dass sie schließlich auch gemeinsam die letzten großen Innovationen angehen, die eine klimaneutrale Gesellschaft ermöglichen.

„Eine gesellschaftliche Transformation verläuft nicht konfliktfrei, nicht ohne Reibung und Verluste“, blieb Habeck in der Metapher. „Wenn sich dabei auch unser Verhalten ändern muss, kriegen wir manchmal schlechte Laune. Diese Veranstaltung ist allerdings eine Gegenbewegung zur schlechten Laune, sie zeigt, wie Zukunft entstehen kann.“

Direkter Austausch in zahlreichen Workshops

Viele Bausteine der Energie-Zukunft ließen sich beim Symposium entdecken. Forschende stellten ihre Projekte im Plenum oder eigenen Workshops vor, in denen wiederum neue Ideen entstanden. Etwa, wie sich die Generation Z in die Energiewende einbinden lässt. Eine Generation, die digitaler und vom Klimawandel betroffener ist als jede vor ihr, sollte schon frühzeitig mitreden können. Da waren sich die Teilnehmenden einig. Aber womöglich bringe diese Generation sich lieber über Chats ein als über Webinare, so eine Antwort.

Industrievertreter und Forschende diskutierten in gleich zwei Workshops unter anderem darüber, wie die Circular Economy eine ressourceneffiziente Energiewende ermöglichen könne. Eine Transformation von der linearen zur zirkulären Wirtschaft hätte einen großen Einfluss auf Unternehmen. Deshalb bemerkte Jessica Kilb von Siemens Energy: „Um nachhaltige Energietechnologien gestalten zu können, ist die Integration von Circular-Economy-Maßnahmen in allen Unternehmensbereichen notwendig.“ Das beginne schon bei den Lieferketten: „Materialien aus Recyclingquellen können dazu beitragen, den Rohstoffbedarf für die Energiewende zu decken“, so Florian Bodrogi von der Hochschule Pforzheim. Aber „dabei sollten wir auch den Klimafußabdruck dieser Materialien berücksichtigen.“ Die Bewertung von Ressourceneffizienz war ebenfalls Thema, denn der Bewertungsbedarf wächst rasant. Es gibt unterschiedliche Methoden, aber noch wenige allgemeingültig etablierte Standards. „Unser Ansatz, Energiesystemmodellierung mit Lebenszyklusanalysen zu koppeln, stieß auf positive Resonanz“ schildert Heidi Hottenroth vom Institut für Industrial Ecology der Hochschule Pforzheim eine Lösungsoption, die diskutiert wurde.

Personen diskutieren im Publikum einer Plenumsveranstaltung während des Symposiums der Forschungsnetzwerke Energie.
Angeregter Austausch bei einer Plenumsveranstaltung während des Symposiums der Forschungsnetzwerke Energie. (Bild: © Projektträger Jülich)

Weitere Inhalte: Alternativen zu klassischen Peer-Review-Verfahren, Auslegung von Wärmenetzen, Wasserstoff aus Biomasse oder die Verfügbarkeit von Daten. Mit teils überraschenden Erkenntnissen: Wenn Forschende auf die Standortdaten von Bäumen und Laternen zugreifen können, hilft das der Dekarbonisierung des Verkehrssektors. Denn Ladestationen sollten nicht über Baumwurzeln, sehr wohl aber neben Laternen gebaut werden. Viele Themen, bei denen sich die Vortragenden über die Perspektiven und Ideen aus anderen Forschungsbereichen freuten. Auch eine Posterausstellung zeigte aktuelle Forschungsinhalte und wurde zum Ausgangspunkt zahlreicher Fachdiskussionen, während in den Pausen tagespolitische Neuigkeiten besprochen wurden.

Heizungsdebatte und neues Energieforschungsprogramm

Etwa die Wärmewende: Die Debatte um Wärmepumpen und klimaneutrale Heizanlagen sei nicht nur „aufgeheizt“, sagte Kerstin Andreae, Geschäftsführerin des Bundesverbandes der Energie- und Wasserwirtschaft BDEW. Hier werde mit den Ängsten der Menschen gespielt. Ihre Forderung, „vor diesen Populismus ein Stoppschild zu setzen“, stieß auf breite Zustimmung.

Wer auf Heizen mit Wasserstoff hoffte, dürfte ernüchtert aus der Debatte gegangen sein: „Ich freue mich darüber, dass Wasserstoff für viele so ein spannendes Thema geworden ist“, sagte Wiebke Lüke, Gründerin und Geschäftsführerin des Start-ups WEW Hydrogen. „Aber ich habe etwas Angst davor, dass die Stimmung umschwingt, wenn deutlich wird, dass Wasserstoff nicht in kurzer Zeit alle Probleme lösen kann. Und das wird er nicht.“ (Ein Video mit einer ausführlichen Einschätzung zur Wasserstoffforschung von Wiebke Lüke finden Sie unter diesem Link.)

Ein ebenfalls spannendes Thema in der angewandten Energieforschung ist das 8. Energieforschungsprogramm. Christian Maaß, Leiter der Abteilung „II – Wärme, Wasserstoff und Effizienz“ im Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz (BMWK), stellte erstmals die Missionen und dazugehörige Eckpunkte vor. „Wir können jetzt auf die Landschaft, Straße, Dächer bringen, was Forscher vor uns geleistet haben. Und deswegen ist die Neuorientierung des 8. Energieforschungsprogramms an Missionen, noch stärker auf unsere Ziele zu schauen, eine wichtige neue Bedeutung“, erklärte er. Es solle ein lernendes Programm werden, das den Weg zur Klimaneutralität ebne.

Genauer ging Maaß auf fünf Missionen ein: die Wärmewende, die bislang zu kurz gekommen sei; die Stromwende, bei der Stabilität und Wetterextreme durch den Klimawandel neue Herausforderungen mit sich brächten; den Wasserstoff, der bei nicht elektrifizierbaren Prozessen helfen solle; das Energiesystem, das insgesamt resilienter und effizienter werden solle; und den Transfer. „Energieforschung ist für uns auch Energiepolitik“, sagte Maaß dazu. „Der letzte Schritt aus dem Demonstrationsprojekt hinaus und in den Markt hinein ist immer noch ein Problem.“

Mehr Fachkräfte für die Energieforschung

Auf einer Abendveranstaltung kamen schließlich die Themen Fachkräftemangel und Männerdominanz in der Forschungslandschaft zusammen. „Es sind auffällig wenig Frauen unter den Projektleitern“, stellte Rodoula Tryfonidou dazu fest, Leiterin des Referats „Energieforschung – Grundsatzfragen und Strategie“ im BMWK. Deutlich weniger Frauen, zumindest als in den Hochschulen ausgebildet würden. „Wir müssen aber alle Potenziale für die Energiewende und die Energieforschung heben“, sagte sie. „Es geht dabei gar nicht um ein Gegeneinander der Geschlechter, sondern es geht um ein Mehr.“

Rodoula Tryfonidou, Leiterin des Referats „Energieforschung – Grundsatzfragen und Strategie“, und Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck folgen den Ausführungen auf dem Podium des Symposiums der Forschungsnetzwerke Energie.
Rodoula Tryfonidou, Leiterin des Referats „Energieforschung – Grundsatzfragen und Strategie“, und Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck folgen den Ausführungen auf dem Podium des Symposiums der Forschungsnetzwerke Energie. (Bild: © Projektträger Jülich)

Der Nachwuchs, der schon an der Energieforschung interessiert ist, war auch auf dem Symposium vertreten. Babette Ludwig, Stefanie Eski und Florian Brütsch stellten ihr erfolgreiches Jugend-forscht-Projekt „Photovoltaik on fire“ vor: Die Schülerinnen und Schüler haben eine Elektronik entwickelt, die verschattete Zellen mit Strom aus dem Gesamtstrang versorgt. Da die schwächste Zelle die Gesamtleistung bestimmt, schätzen die drei, mit ihrer Lösung Photovoltaikanlagen um bis zu 25 Prozent effizienter machen zu können.

Angesichts dieser vielen Eindrücke, Vernetzungsmöglichkeiten und Erfolgsgeschichten zogen viele Teilnehmende ein positives Fazit. „Es ist ein toller Platz, um sich über Forschungsfragen auszutauschen, eigene Themen weiterzuentwickeln, neue Verbindungen zu knüpfen“, sagte Carsten Hoyer-Klick vom DLR-Institut für Vernetzte Energiesysteme und aktiv als Gruppensprecher im Forschungsnetzwerk Systemanalyse. „Ich halte es für wichtig, dass wir uns innerhalb der Forschung stärker vernetzen. Technologien sind Teil eines Gesamtsystems. Wir müssen alle von anderen lernen und haben ja selber auch viel Wissen, das wir gerne teilen.“

BMWK-Referatsleiterin Rodoula Tryfonidou verwies zum Abschluss, wie schon Bundesminister Habeck, auf die politische Dimension der Energieforschung: „Sie ist längst nicht nur strategisches Element der Energiepolitik, sondern auch der Standort-, Wirtschafts- und Gesellschaftspolitik. Wir wissen alle, dass wir sehr viel geleistet haben – aber ich habe wahrgenommen, dass wir auch alle wissen, dass es noch eine andere Qualität bekommen muss.“ Das Ministerium sei bereit, die Energieforschungsförderung noch „besser, schneller und effizienter“ zu gestalten, um den Forschenden die besten Rahmenbedingungen bieten zu können. Gemeinsam, das zeigte das erste Symposium der Forschungsnetzwerke, lassen sich auf viele komplexe Fragen die passenden Antworten finden.

Von Peter Jung, Wissenschaftsjournalist beim Projektträger Jülich.

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