
Erfolgsfaktor Schnittstelle: Impulse für wettbewerbsfähiges Energiemanagement
Modernes Energiemanagement benötigt überzeugende Daten, Tools und Schnittstellen. Wie daran gearbeitet wird – und wie wichtig standardisierte Schnittstellen für den Wirtschaftsstandort Deutschland sind – war Thema des Fokustreffens „Energiemanagement und Schnittstellenproblematik“ am 10. Juli 2025.
Gegliedert war das Fokustreffen der Begleitforschung EWB in zwei Teile: Zuerst stellten die drei Forschungsprojekte ML-EBESR, ENaQ2 und DigiWems ihre Arbeiten vor. Dann folgte eine Austauschrunde unter allen Teilnehmenden, in der nicht nur die Arbeiten auf Projektebene, sondern auch die Metaebene diskutiert wurden.
ML-EBESR: Mit KI die Wärmeprognose und -regelung optimieren
Die Forschenden des Projekts ML-EBESR arbeiten in Quartieren mit sektorenübergreifendem Energiesystemen, zum Beispiel mit Wärmepumpen, Photovoltaik, Solarthermie – und setzen dabei auf Maschinelles Lernen. Ohne diesen Ansatz müssen Ingenieur*innen das Energiemanagement manuell optimieren und für jedes Quartier individuell Algorithmen entwickeln. In ML-EBESR wird dagegen eine KI mit vielfältigen Daten trainiert: sowohl mit Gebäudedaten als auch mit externen Informationen wie Wetterdaten und Strompreisen. Das Ziel: kostengünstiger und insgesamt reduzierter Strombezug aus dem Netz, bedarfsgerechte und preisgünstige Wärme sowie eigene Wärmeproduktion mit hohen Wirkungsgraden.
Für die effiziente Steuerung haben die Projektpartner einen Algorithmus entwickelt, der nach einer Trainingsphase auch auf verschiedene Gebäude und Quartiere übertragbar sein soll. Für das aktuell betrachtete Quartier ist die Learning-Phase bereits abgeschlossen. Darin ist das individuelle Verhalten der Gebäude enthalten, wie Größe und gegebenenfalls Beschattung der Photovoltaik-Anlagen. Außerdem wird die Systemdynamik berücksichtigt, etwa die Effizienz von Wärmepumpen in Abhängigkeit von der Außentemperatur und der Temperatur der Pufferspeicher.
Im nächsten Projektschritt geht es um den Planungsalgorithmus: Er soll prognostizieren, wie sich Wärmepumpen, Photovoltaik-Anlagen und Energiespeicher in den nächsten 24 Stunden verhalten. Für diesen Zeitraum erstellt der Algorithmus einen optimierten und effizienten Fahrplan – der umso besser wird, je mehr Daten zuvor gesammelt und in das Training integriert wurden. Anders als man denken könnte, spielt das Nutzerverhalten bei der Prognose dagegen eine untergeordnete Rolle. Es ist trotz Individualität gut vorhersehbar und mittelt sich insbesondere dann heraus, wenn mehrere Parteien in einem Gebäude wohnen.
ENaQ und ENaQ2: Die Energieversorgung durch Simulationen bestmöglich gestalten
Im Projekt ENaQ wurde für das Quartier „Fliegerhorst Oldenburg“ ein sektorenübergreifendes Versorgungsnetz für 124 Wohneinheiten entwickelt. Es integriert die Infrastrukturen für Strom, Gas und Wärme. Ziel des Projekts war es, ein Versorgungsnetz für den nachbarschaftlichen Verbund aus Erzeugern und Verbrauchern zu errichten, der dazu dient, überschüssige Energie in andere Energieformen umzuwandeln, zu speichern oder direkt für benachbarte Verbraucher bereitzustellen. Es ist ein gemeinschaftlicher energetischer Betrieb von Liegenschaften, bei dem ein möglichst hoher Anteil der nachbarschaftlich erzeugten Energie lokal verbraucht wird.
Um das bestmögliche Versorgungskonzept zu identifizieren, wurde ein allgemeines Anlagenkonzept erstellt, welches alle potentiell möglichen Versorgungsoptionen beinhaltete. Aus ihnen wurden im nächsten Schritt spezifische Anlagenauslegungen ausgewählt, die bezüglich des Anlagenbetriebs optimiert werden sollten. Dafür wurden die Anlagenauslegungen variiert und so eingestellt, dass die resultierenden Versorgungslösungen pareto-optimal sind. Das bedeutet: Keine der erhaltenen Lösungen konnte bezüglich einer der Kenngrößen Kosten, Emissionen oder Eigenverbrauch weiter verbessert werden, ohne dass dies zu einer Verschlechterung hinsichtlich einer der anderen Kenngrößen führen würde.
Die Freiheitsgrade bei der Auswahl des Versorgungskonzepts waren vielfältig. Sie umfassten die integrierten Sektoren (Wärme und Strom), die Anlagentechnologien (zum Beispiel Wärmepumpen, Kraft-Wärme-Kopplung, Photovoltaik-Anlagen und Speicher), die Anlagendimensionierungen (wie Speichergrößen, Temperaturniveaus und Auslegung von Photovoltaik und Wärmepumpen) sowie die Betriebsführung (zum Beispiel die Reaktionen auf Wetterprognosen oder externe Preissignale).
Das Forschungsprojekt ENaQ2 ist das auf ENaQ aufbauende, im Februar 2025 gestartete Monitoring-Vorhaben. Ziel von ENaQ2 ist es, den Betrieb der Energieanlagen analog zur Anlagenkonzeptionierung zu optimieren: Sowohl die Kosten als auch die Emissionen sollen minimiert werden – bei variablen Preisen und unsicheren Wetter- und Bedarfsprognosen.
DigiWems: Schnittstellen testen und die Ergebnisse in Spezifikationen überführen
DigiWems ist ein Projekt der EEBus-Initiative. Ihr gehören 70 Firmen und Verbände an: Energielieferanten, Netzbetreiber und eine Vielfalt an Herstellern und Anbietern von Energiemanagement-relevanten Geräten und Systemen. EEBUS ist auch der Name des technologischen Standards für die Kommunikation des Energiesystems in Gebäuden und zum Netz und Markt, den die Initiative entwickelt hat und der national wie international angewendet wird: Der EEBUS-Standard ermöglicht die Ansteuerung und Kommunikation der einzelnen Energiekomponenten eines Gebäudes untereinander. Ursprünglich nur für Einfamilienhäuser entwickelt, möchte die EEBus-Initiative ihren Kommunikationsstandard zukünftig auch auf Mehrfamilienhäuser, Bürogebäude und Supermärkte ausweiten.
Das Projekt DigiWems konzentriert sich auf die digitale Integration von Wärmepumpen in das Energiesystem von Gebäuden. Dabei berücksichtigen die Forschenden, dass an ein und demselben Netzanschluss drei unterschiedliche Akteure beteiligt sind, die jeweils eigene Bedürfnisse haben: Netzbetreiber, Energielieferant und Kund*in. Die Lösung, die laut EEBUS allen Bedürfnissen gerecht wird: optimierter Eigenverbrauch aus eigenen erneuerbaren Energiequellen wie beispielsweise Solaranlagen auf dem Dach seitens der Kund*innen kombiniert mit dynamischen Preise seitens der Energielieferanten – wobei die oberste Priorität immer das Signal des Netzbetreibers hat, zum Beispiel in Form einer Leistungsbegrenzung nach §14a. Dieser Ansatz wird im Rahmen von DigiWems vor Ort im „Living Lab Köln“ für Wärmepumpen im Kontext von Ein- und Mehrfamilienhaus getestet. Die Ergebnisse sollen später in standardisierte Testspezifikationen und -software überführt werden.
Gleichzeitig wird das Handwerk aktiv in das DigiWems-Projekt eingebunden: Über die gesamte Lebensdauer der Wärmepumpe (Installation, Inbetriebnahme, Erweiterungen des Kundensystems) sowie über alle Systemkomponenten hinweg sollen mit allen betroffenen Gewerken (vom Monteur des Messstellenbetreibers bis zum Heizungsmonteur) Handwerker-taugliche Prozesse und Tools entwickelt werden. Darüber hinaus wird an einem dazu passenden Schulungsprogramm für Handwerker gearbeitet.
Diskussion: Das Handwerk mitnehmen und internationale Standards mitgestalten
Das Handwerk, so dann auch die Meinung in der Diskussionsrunde, werde in den meisten Forschungsprojekten nicht berücksichtigt. Vor allem deshalb, weil die Handwerker an der Forschung selbst nicht beteiligt seien. Später in der Umsetzung und Installation der Forschungsergebnisse seien sie dann aber unverzichtbar – und hier gäbe es durchaus Luft nach oben. Wissenstransfer in das Handwerk hinein, beispielsweise durch Schulungen, sei daher essenziell.
Hinsichtlich der Schnittstellen wurde in der Diskussionsrunde gefordert, den Austausch zwischen Akteuren, Projekten und Herstellern auszubauen. In Austauschformaten könnten Fragen beantwortet werden wie: Welche Protokolle und Schnittstellen gibt es? Welche Vorteile und Defizite bestehen? Wer hat welche Lösungen? Und wie bekommen wir das beste aller Systeme? Dabei gehe es bei Schnittstellen auch immer um unterschiedliche Interessen – und darum, für die Kommunikation zwischen Energiemanagement und Gerät den kleinsten gemeinsamen Nenner zu finden. „Schnittstellenthematik hat auch mit Mediation zu tun“, fasst eine Teilnehmerin griffig zusammen.
Die Ergebnisse solcher Austauschformate könnten dann konsolidiert und weiterentwickelt werden – und schließlich eingebracht werden, um internationale Normen zu gestalten. Das sei auch im Interesse von Deutschland als Wirtschaftsstandort, denn Normen und Standards entscheiden maßgeblich darüber, welche Technologien und Geschäftsmodelle sich am Markt durchsetzen. Vor diesem Hintergrund dürfe sich Deutschland nicht von internationalen Standardisierungen überrollen lassen, die möglicherweise anderen Geschäftsmodellen in die Karten spielen. „Wir müssen uns in Standardisierungsgremien einbringen!“, so die eindrückliche Aussage eines Teilnehmers. Dabei sei es wichtig, nicht nur eine Person als Vertreter*in zu senden, sondern es brauche vielmehr eine nachdrückliche Anzahl an Personen, die im jeweiligen Gremium als Gewicht wahrgenommen werde.
Tipp:
Jeden ersten Mittwoch im Monat kommen Expertinnen und Experten aus dem Forschungsbereich Gebäude und Quartiere in der EWB-Stunde zu Wort und stellen neue Entwicklungen aus dem Bereich Energiewendebauen (EWB) vor. Die nächste EWB-Stunde hat „FAER – Ein Demonstrationsprojekt für die strombasierte Wärmewende“ zum Thema und findet am 3. September 2025 statt.
Zur nächsten EWB-Stunde